(Update vom 5.3.: Test der Onleihe)
Der Tolino shine – ist er wirklich eine passende Antwort auf Amazons Kindle? Das hängt nicht nur davon ab, wie gut das Gerät gelungen ist, sondern auch davon, wie konsequent die Allianz aus Telekom, Weltbild, Hugendubel, Thalia und Club Bertelsmann das System umsetzt. Um über Erfolg oder Misserfolg zu urteilen, ist es definitiv zu zeitig. Das Testgerät jedoch lässt sich durchaus schon beurteilen – wenn auch unter dem Vorbehalt, dass die Telekom regelmäßige Updates versprochen hat, womöglich gar im Zwei-Wochen-Rhythmus.
1. Inbetriebnahme
Der E-Reader wird in einer hübschen Verpackung geliefert: einem Schuber, der die eigentliche Schachtel enthält. Darin liegt das Gerät, nimmt man es heraus, findet man die bebilderte Kurzanleitung und das USB-Kabel (MicroUSB).
Zum Starten muss man den Power-Schalter zur Seite schieben. Der Tolino erklärt sich dann zunächst selbst, bevor er seinen neuen Besitzer auf die Startseite entlässt, die oben die zuletzt gelesen eBooks aufführt und unten einen Ausschnitt aus dem vorinstallierten eBook-Shop zeigt – beim Testgerät der eBook-Store von Hugendubel.
Im Grunde könnte man den eReader nun auch schon benutzen, ohne noch irgend etwas anderes einzustellen. Dann wäre er aber nicht komfortabler als jedes andere Modell: Man bräuchte zum Befüllen die Adobe Digital Edition (ADE) und müsste eBooks am Computer kaufen und dann via ADE und USB auf den eReader schieben. Diese umständliche Prozedur ist aber der Grund, warum der Kindle so beliebt ist.
2. Einrichtung
Es gibt insgesamt drei Einstellungen, die der neue Besitzer treffen muss. Zunächst verbindet man den eReader mit einem WLAN. Das funktioniert gut und bequem. Auch die Anmeldung über eine Anmelde-Website (oft in Hotels) funktioniert – das ist auf dem Kindle nicht der Fall.
Nun braucht der Nutzer als zweites einen Zugang zum Onlineshop – in meinem Fall von Hugendubel, allgemein zum Laden des Anbieters, bei dem man das Gerät gekauft hat. Der Kindle ist hier meist schon vorregistriert, wenn man ihn vom eigenen Amazon-Account kauft. Beim Tolino muss man den Zugang selbst eingeben (wenn man schon früher dort eingekauft hat) oder neu anlegen. Beides ist problemlos.
Der Zugang zur Telekom-Cloud ist mit dem hier angelegten Kundenkonto direkt verknüpft. Das hat Vor- und Nachteile, aber dazu später.
Damit der Tolino shine mit DRM versehene ePub- und PDF-Dateien lesen kann, braucht er schließlich noch Adobe-Accountdaten. Auch diese muss man eintragen oder neu anlegen. Sie sind unabhängig vom Shop-Anbieter. Ohne Adobe-Account kann man nur kopierschutzfreie eBooks lesen.
3. Lesen
Den Inhalt der Bibliothek zeigt der Tolino shine in Listen- oder Cover-Ansicht an, die man jeweils nach Aktualität, Titel, Autor oder Kaufdatum sortieren kann. Unterordner oder Kindle-ähnliche Sammlungen sind nicht möglich. In längeren Listen kann man immerhin durch eine Alphabet-Navigation gut herumspringen, sofern man die eBooks nach Autor oder Titel geordnet hat.
Da der Tolino shine keine Blättertasten besitzt, blättert man mit Hilfe von Fingertipps. Das Gerät reagiert dabei zügig, das Lesen macht Spaß. Der Kindle Paperwhite blättert noch einen Hauch flotter, beim Lesen macht das aber keinen wesentlichen Unterschied. Die angebotenen Schriftarten sind teilweise etwas zart, aber gut lesbar.
Die Beleuchtung ist gerade nachts ein wesentlicher Pluspunkt. Sie ist in der höchsten Stufe nicht ganz so hell wie beim Kindle Paperwhite, wirkt dafür aber ausgeglichener. Am oberen Gehäuserand gibt es einen Hardware-Knopf, der das Licht an- und ausschaltet.
Zur Unterstützung der Lektüre bietet der Tolino shine keine Zusatzfunktionen – außer der Möglichkeit, ein Lesezeichen anzulegen. Oder auch mehrere… Sich Wörter übersetzen zu lassen oder Bedeutungen anzuzeigen, das bleibt dem Kindle vorbehalten. Auch Markierungen sind nicht möglich.
Zwar darf man aus dem eBook bei Facebook posten, doch das Ergebnis verrät gerade einmal, welches Buch man gerade liest und wo man es gekauft hat – nicht mal einen direkten Link zum eBook gibt es, sondern nur auf die Shop-Startseite.
4. Einkaufen
Das Einkaufen neuen Lesestoffs über den integrierten eBook-Store ist zunächst komfortabel. Dagegen wirkt der Kindlestore unmodern. Allerdings bietet Amazon noch deutlich mehr Kundenbewertungen – die ja vielen Lesern als Richtschnur dienen. Ein eBook, das man über den eingebauten Store kauft, landet per Fingertipp auf dem eReader und in der Cloud. Sehr praktisch – und so von Amazon bekannt. Wenn es nicht den umständlichen Bezahlprozess gäbe: Zwar wird das “One-Click-Shopping” von Amazon gern kritisiert, doch das Bezahlen im Hugendubel-Tolino-Shop ist das genaue Gegenteil davon, ein 100-Klick-Shopping. Das kann es nun auch nicht sein…
Komplizierter wird es leider, wenn man die Offenheit des Systems nutzen und anderswo einkaufen will. Da der Cloud-Zugang an den Shop-Account gebunden ist, muss man als Besitzer eines bei Hugendubel gekauften eReaders ein Buch bei Thalia erst auf den Computer herunterladen, dann via USB oder MicroSD auf den Tolino transferieren (dann kann man es immerhin schon lesen) und schließlich manuell in die Cloud hochladen. Trotzdem ist auch dieser Weg ein Fortschritt, denn man spart sich den Umweg über Adobe Digital Editions. Vorausgesetzt, man hat dieselbe Adobe-ID bei allen Shops registriert.
Wer lieber am PC kauft, kann zumindest bei Hugendubel den Inhalt seines Cloud-Speichers auch auf der Hugendubel-Website sehen. Das sieht dort sogar noch hübscher aus als Amazons Cloud-Verwaltung unter “Mein Kindle”. Dort erscheinen dann auch alle eBooks unabhängig von ihrer Herkunft. Dabei merkt sich die Cloud auch den Lesefortschritt. Diese Synchronisierung lässt sich nicht verhindern – was für Familien interessant sein könnte, denn man kann ja eBooks auf bis zu fünf Geräten gleichzeitig lesen. Der Upload in die Cloud funktioniert übrigens unabhängig davon, ob ein Buch ein DRM besitzt – die Gültigkeit des Kopierschutzes wird erst beim Lesen geprüft.
4a. Bücher leihen
Ein Argument für ePub-fähige eReader könnte die Onleihe sein – die Möglichkeit, in deutschen Bibliotheken kostenlos eBooks auszuleihen. Im Vergleich zur Kindle-Leihbibliothek ist hier das Angebot deutlich vielfältiger. Die gute Nachricht: Die Onleihe funktioniert mit dem Tolino shine sehr bequem. Es ist nicht nötig, ADE zu installieren: Einfach das eBook herunterladen, die .acsm-Datei auf den Tolino kopieren und dann (bei aktiver WLAN-Verbindung) das Buch öffnen. Klappt! Man kann ausgeliehene eBooks sogar in die Cloud hochladen.
5. Zusatzfunktionen
Der Tolino shine bietet einen Webbrowser, der auf Webkit-Basis arbeitet. Er ist subjektiv schneller als der des Kindle und unterstützt mehr HTML- und Javascript-Features, bietet mit Auflösung und Farbvielfalt aber natürlich nicht dasselbe Web-Erlebnis wie ein Tablet. Trotzdem – zum schnellen und an allen Telekom-Hotspots kostenlosen Checken der E-Mails ist er nützlich. Ähnlich wie beim Kindle kann er stets nur ein Fenster offenhalten, das schränkt die Nutzung bei all den Websites ein, die mit Popups arbeiten.
Weitere Zusatzfunktionen gibt es nicht: eine Kindersicherung fehlt ebenso wie ein Bildbetrachter. Es ist nicht einmal möglich, das Gerät mit einem Kennwort zu sichern. Da sich das Gerät die Kontodaten nicht merkt, besteht bei Verlust jedoch auch nicht die Gefahr, dass der Finder auf Kosten des Besitzers einkauft.
6. Fazit
Das perfekte Gerät ist der Tolino shine noch nicht. Der eingebaute Onlineshop muss sich doch zumindest optional meine Zahlungsdaten merken können. Ein paar Zusatzfeatures wie Bildbetrachter würde ich mir auch noch wünschen, aber das lässt sich vielleicht mit dem Programm Calibre lösen. Schön für sparsame Leser ist die Unterstützung der Onleihe.